Ich weiß: Honig im ersten Lebensjahr
ist tabu. Wegen der Botulismus-Toxine, die das unreife Verdauungssystem vor
allem in den ersten 6 Monaten nicht abbauen kann. Und Blaubeeren im Schwarzwald
pflücken sowieso. Wegen des Fuchsbandwurms. Entenbrust muss durchgegart sein
wegen Salmonellen. Und deshalb gibt’s auch kein Zucker-Ei mehr – oder
Apfelschnee mit rohem Eiweiß oder Eigelb in der Bouillon. Und dass Rohmilch bei
Kindern Allergien wahrscheinlich vorbeugt – nach EHEC ein Tabuthema.
Wenn man Kochbücher schreibt und
Ernährungsratschläge gibt, muss man aufpassen, dass man nicht mit
Hygienerichtlinien und Hiobsbotschaften im Widerspruch steht. Denn sonst setzt
es bitterböse mails. Und ich kann es ja verstehen: Ängstliche Verbraucher sind
gute Verbraucher. Deshalb wird gerne der Teufel an die Wand gemalt. Und bad
news are good news. Deshalb wird über Skandale intensiv berichtet. Beides
ergänzt sich ungut: Verbraucherängste zu schüren, treibt der
Lebensmittelindustrie und Food Watch kurzfristig Kundschaft zu. Langfristig
aber führt das zu Panikreaktionen und Hysterie. Denn wer Angst hat, der
verliert oft das Maß und den Blick fürs Wesentliche. Und verlangt nach
Garantien und Siegeln – um sich darauf zu verlassen. Was natürlich auch nicht
klappt und noch mehr Verunsicherung erzeugt. Und wenn wir nach und nach jedes
mögliche Risiko vermeiden, dann wird unser Ess-Alltag ziemlich trostlos,
langweilig und kontrolliert. Im Grunde treiben wir den Teufel mit dem Beelzebub
aus: Selbst zu kochen ist unbequem und gefährlich. Und selber Lebensmittel zu
produziere erst recht. Also alles keimfrei vom Lieferanten mit Garantie. Das
Risiko sollen doch bitte die Anderen tragen. „ Das Leben ist wild und
gefährlich“ meint mein Ältester, wenn ich wieder mal zaudere. Recht hat er. Also
ab ins wilde Frühbeet und auf den unhygienischen Markt!