Montag, 11. März 2013

Honig


Ich weiß: Honig im ersten Lebensjahr ist tabu. Wegen der Botulismus-Toxine, die das unreife Verdauungssystem vor allem in den ersten 6 Monaten nicht abbauen kann. Und Blaubeeren im Schwarzwald pflücken sowieso. Wegen des Fuchsbandwurms. Entenbrust muss durchgegart sein wegen Salmonellen. Und deshalb gibt’s auch kein Zucker-Ei mehr – oder Apfelschnee mit rohem Eiweiß oder Eigelb in der Bouillon. Und dass Rohmilch bei Kindern Allergien wahrscheinlich vorbeugt – nach EHEC ein Tabuthema.
Wenn man Kochbücher schreibt und Ernährungsratschläge gibt, muss man aufpassen, dass man nicht mit Hygienerichtlinien und Hiobsbotschaften im Widerspruch steht. Denn sonst setzt es bitterböse mails. Und ich kann es ja verstehen: Ängstliche Verbraucher sind gute Verbraucher. Deshalb wird gerne der Teufel an die Wand gemalt. Und bad news are good news. Deshalb wird über Skandale intensiv berichtet. Beides ergänzt sich ungut: Verbraucherängste zu schüren, treibt der Lebensmittelindustrie und Food Watch kurzfristig Kundschaft zu. Langfristig aber führt das zu Panikreaktionen und Hysterie. Denn wer Angst hat, der verliert oft das Maß und den Blick fürs Wesentliche. Und verlangt nach Garantien und Siegeln – um sich darauf zu verlassen. Was natürlich auch nicht klappt und noch mehr Verunsicherung erzeugt. Und wenn wir nach und nach jedes mögliche Risiko vermeiden, dann wird unser Ess-Alltag ziemlich trostlos, langweilig und kontrolliert. Im Grunde treiben wir den Teufel mit dem Beelzebub aus: Selbst zu kochen ist unbequem und gefährlich. Und selber Lebensmittel zu produziere erst recht. Also alles keimfrei vom Lieferanten mit Garantie. Das Risiko sollen doch bitte die Anderen tragen. „ Das Leben ist wild und gefährlich“ meint mein Ältester, wenn ich wieder mal zaudere. Recht hat er. Also ab ins wilde Frühbeet und auf den unhygienischen Markt!